von Gisela Wolf
(gekürzte Fassung; Langfassung (pdf, 359 kB))
Wozu?
Im Verlauf der Entwicklung einer lesbischen Identität können Situationen auftreten, in denen lesbische Frauen die Inanspruchnahme von Beratung in Betracht ziehen:
– Vielen Lesben fehlen gerade zu Beginn ihres Coming-out und in der Zeit der intensiven Auseinandersetzung mit ihrer soziosexuellen Identität Informationen über lesbische Identität, Lebensweisen und potenzielle Unterstützungsquellen. Dies gilt in besonderem Maße für Lesben, die sich bereits in der Pubertät outen.
– Die Stigmatisierung ihrer Lebensweise kann bei Lesben zu einer verinnerlichten Ablehnung ihrer eigenen soziosexuellen Identität („internalisierter Homophobie“) und entsprechenden Selbstabwertungsprozessen sowie zu psychosomatischen Stressreaktionen und gesundheitsbeeinträchtigenden Verhaltensweisen führen.
– Viele Lesben sind als Frauen und als Lesben sanktioniert, gemobbt, sexuell gedemütigt und missbraucht, angegriffen und verletzt worden und setzen sich mit den Folgen dieser Übergriffe auseinander.
Wo?
Beratungsmöglichkeiten von und für Lesben werden unterdessen in vielen Großstädten innerhalb Deutschlands von Lesbenberatungsstellen, Lesbentelefonen und auch von Feministischen Beratungsstellen angeboten. Gerade in ländlichen Gebieten und Klein- und Mittelstädten besteht allerdings nach wie vor ein erheblicher Bedarf nach ortsnahen Beratungsmöglichkeiten. Dort können lesbische Mädchen und Frauen versuchen, auch andere Beratungsstellen zu nutzen. Sie müssen allerdings leider immer noch damit rechnen, dass vielen BeraterInnen dort das Fachwissen für eine Beratung von Lesben fehlt.
Zunehmend mehr Mädchen und Frauen gelingt es allerdings unterdessen Zugang zu Materialien wie Büchern, Filmen oder Internetseiten zu erhalten, die lesbische Lebensweisen thematisieren. Einige nutzen auch niederschwellige und anonyme Beratungsangebote wie telefonische Beratung (beispielsweise über Lesbentelefone) oder Beratungen über das Internet.
Was?
Persönliche Beratungen innerhalb von Beratungsstellen finden in einem zeitlich und thematisch umgrenzten Rahmen statt. Beratungen sind vom Ansatz her gegenwartsbezogen und auf die Lösung von Problemen ausgerichtet. Die Ziele von Beratungen im Coming-out-Prozess liegen in der sozialen Unterstützung bei der Überwindung von Selbstabwertungsprozessen und der Stärkung von Selbstbewusstsein, Selbstakzeptanz, Selbstverantwortung und Lebensqualität.
Wie?
In der Beratung soll ein Raum geboten werden, in dem das Schweigen überwunden werden kann und Mädchen und Frauen ihre soziosexuelle Identität thematisieren können. Das Erlernen der Kommunikation der lesbischen soziosexuellen Identität ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, weitere Ressourcen zu erschließen und um das bereits bestehende soziale Netz in Hinblick auf dessen Unterstützungskompetenz im Coming-out-Prozess bewerten zu können. Durch ein Benennen der vielfältigen Angebote der lesbischen Community in der Beratung kann die Kontaktaufnahme zu einer sozialen Gemeinschaft gebahnt werden, in der lesbische Lebensentwürfe positiv valuiert und weitere soziale Unterstützungen zur Verfügung gestellt werden können. Informationen über lesbische Lebensweisen unterstützen den Aufbau eines sicheren Identitätskonzeptes und verbreitern die Wahlmöglichkeiten für den eigenen Lebensentwurf. Diese Informationen können im persönlichen Gespräch sowie ergänzend durch Materialien wie Bücher, Broschüren, Internetadressen etc. zugänglich gemacht werden.
Coming Out?
In einem Beratungsgespräch können gemeinsam mögliche Gefährdungen und Vorteile durch ein Offenleben besprochen und den Einschränkungen und Risiken der sozialen Isolierung durch ein Verstecken gegenübergestellt werden.
Was nicht?
Im Verlauf eines Beratungsprozesses können Problembereiche deutlich werden, für deren Aufarbeitung die Unterstützungsmöglichkeiten im Rahmen einer Beratungsbeziehung nicht ausreichen. Dann sollte die Beraterin mit der Klientin über die Möglichkeit einer Psychotherapie sprechen und ihr gegebenenfalls entsprechend qualifizierte Therapeutinnen empfehlen.