Lesbische Frauen hatten vielfältigen Kontakt zur Medizin – als Krankenschwestern, als Ärztinnen, als Erkrankte, als Nutzerinnen der Gesundheitsversorgung, als Psychiatrisierte, als Verfolgte, als Täterinnen, als Erforschte.
Nicht immer lässt sich das eine von dem anderen innerhalb einer Biographie völlig trennen.
Inhaltliches zur Geschichte von Medizin und Homophobie findet sich auch in der Rubrik Medizingeschichte. Und mehr zu Lesbengeschichte findet sich auf der externen Seite www.lesbengeschichte.de.
Johanna Elberskirchen (1864-1943)
„Im übrigen: Sind wir Frauen der Emanzipation homosexuell – nun dann lasse man uns doch!“
Im April 2004 jährte sich der Geburtstag von Johanna Elberskirchen (1864-1943) zum 140. Mal. Johanna Elberskirchen wurde am 11.4.1864 in Bonn geboren, studierte Medizin und Jura in der Schweiz. Ab 1920 lebte sie mir Ihrer Lebensgefährtin Hildegard Moniac (1891-1967) in Rüdersdorf bei Berlin, wo beide gemeinsam eine homöopathische Praxis betrieben.
Elberskirchen engagierte sich und publizierte zu Themen der Frauenbewegung, wie Wahlrecht, Ausbildung und Erziehung von Mädchen, Gewalt gegen Mädchen/Frauen, Ehe, Prostitution, Heterosexualität und Homosexualität.
Das Grab von Hildegard Moniac und Johanna Elberskirchen auf dem Friedhof in Rüdersdorf wurde 2003 offiziell in einer Feierstunde als Ehrengrabstätte eingeweiht. Die Iniative zu dieser für lesbische Feministinnen bisher einzigartigen Ehrung in der BRD ging von der Politologin Dr. Christiane Leidinger, Berlin, aus, die das Leben von Moniac und Elberskirchen erforschte.
Mehr zum Leben von Johanna Elberskirchen unter www.johannaelberskirchen.de, in den Publikationen von Christiane Leidinger und bei www.lesbengeschichte.de
Charlotte Wolff (1897-1986)
Charlotte Wolff wurde im September 1897 in der Nähe von Danzig als Tochter einer jüdischen Kaufmannsfamilie geboren, studierte in Freiburg und Berlin Medizin, wo sie 1928 auch promovierte. Sie arbeite sie in der Klinik für Familienplanungs- und Schwangerschaftsfürsorge und Schwangerschaftsverhütung der Allgemeinen Krankenkasse in Berlin, zuletzt als stellvertretende Direktorin. Nach ihrer Verhaftung 1933 emigrierte sie nach Frankreich, von dort 1936 aus nach London.
Als offen lebende lesbische Frau engagierte sie sich in Großbritannien ab Anfang der 60er Jahre für die Anliegen von Lesben, forschte und publizierte über „weibliche Homosexualität“.
Charlotte Wolff starb im September 1986 in London.
Heute sind ein Erwachsenenkolleg in Berlin und natürlich Charlotte e.V. – Netzwerk lesbischer Ärztinnen nach ihr benannt.
Frl. N. (um 1865)
Unter dem Titel „Die conträre Sexualempfindung, Symptom eines neuropathischen (psychopathischen) Zustandes“ berichtet Prof. Dr. Westphal, Charité Berlin, 1869 im Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten:
„Der Irren-Abtheilung der Charité wurde am 30. Mai 1864 Frl. N. zugeführt mit einem ärztlichen Zeugnisse, dessen Inhalt im Wesentlichen dahin ging: `Die N. leidet angeblich seit ihrem achten Jahre an einer Wuth, Frauen zu lieben und mit ihnen ausser Scherzen und Küssen Onanie zu treiben. Sie will dabei, wenn ihr der Wunsch von einer weiblichen Person, mit ihr nach Belieben zu agiren, versagt wird, in solche Wuth gerathen, dass sie zu Allem fähig sei; mit Männern will sie nie Umgang gehabt, auch nie eine Neigung dazu gefühlt haben. Mit Frauen scherzend, sei in ihr ein solches Wonnegefühl erweckt, wie sie sich ausdrückt, dass ihr förmlich der Same abging; sie ist, wie sie einräumt, zu Allem fähig bei Versagung ihrer Wünsche.“
Frl. N. ist 35 Jahre alt, als sie von ihrer Schwester, mit der sie zusammen ein Mädchenpensionat betreibt, in die Charité gebracht wird. Nachdem der Schwester rückblickend schon seit einem halben Jahr eine Persönlichkeitsveränderung an Frl. N. aufgefallen war, war sie mit der Situation offenbar überfordert, als Frl. N. nach der Zurückweisung durch eine junge Frau, in die sie sich verliebt hatte, psychisch dekompensierte. Frl. N. selbst hielt sich nicht für psychisch krank und zeigte sich sehr überrascht, dass man sie in eine „Irren-Abtheilung“ gebracht hatte. Während ihres zweimonatigen Aufenthaltes in der Psychiatrie forderte sie mehrmals ihre Entlassung. Frl. N., die von sich selbst berichtete, schon als Kind lieber „Knabenspiele“ gespielt und sich wie ein Junge gekleidet zu haben, wird erst aus der Klinik entlassen, „nachdem sie sich in letzter Zeit in Gemeinschaft mi den übrigen Kranken den grössten Theil des Tages über ruhig und fleissig mit Handarbeiten beschäftigt hatte“.
Nach den Ausführungen von Westphal gelang es Frl. N. zumindest über die fünf Jahre bis zur Publikation des Aufsatzes weitere stationäre Aufnahmen in die Psychiatrie zu vermeiden. Von ihren Einstellungen war sie übrigens zum Zeitpunkt der „Nachuntersuchung“ 1869 nicht abgerückt.
Freia Eisner (1907-1989)
Freia Eisner ist die Tochter der Sozialdemokratin Elsa Belli und (Stief-)Tochter von Kurt Eisner, dem ersten bayerischen Ministerpräsidenten der Räterepublik, dessen Ermordung 1919 sie schwer erschüttert. Schon früh verliebt sich Freia in andere Mädchen und wird sich ihrer Lesbischseins bewusst. Im Alter von 19 Jahren wird sie auf Veranlassung ihrer Mutter wegen ihrer Homosexualität und einer Epilepsie, die sie nach der Ermordung ihres Vaters entwickelt hatte, in die Psychiatrie eingewiesen. Vor der drohenden Entmündigung durch ihre Mutter flieht sie 1927 nach Paris. 1931 kehrt sie nach Berlin zurück und flieht 1933 vor der nationalsozialistischen Verfolgung zuerst nach Schweden und dann nach Frankreich und schließlich nach Großbritannien. Viele ihrer Familienangehörigen werden während des Nationalsozialismus als Angehörige Kurt Eisners, Linke und aufgrund ihrer teilweise jüdischen Abstammung verfolgt und ermordet.
Sie durchlebt mehrere Aufenthalte in psychiatrischen Abteilungen wegen ihres Anfallsleidens und um ärztliche Hilfe zu finden. Einmal unternimmt sie einen Suizidversuch mit einer Überdosis ihrer Antiepileptika. 1937 wird sie staatenlos, als sie mit der Ausbürgerung der deutschen Staatsangehörigkeit beraubt wird. 1941 tritt sie dem katholischen Glauben bei.
Einige Jahre nach Kriegsende kehrt Freia Eisner in die Bundesrepublik Deutschland zurück. 1975 übersiedelt sie in die DDR zu ihrer Schwester nach Ost-Berlin, wo sie auch erstmalig als „Opfer des Faschismus“ anerkannt wird und eine Rente erhält, die ihr in der Bundesrepublik verweigert worden war. Die „kämpferische Humanistin“ (Selbstbezeichnung) stirbt im Juli 1989.
Quelle: Schoppmann,C.: Zeit der Maskierung. Lebensgeschichten von Lesben im Dritten Reich. Fischer, Frankfurt 1998
Audre Lorde (193?-1992)
Audre Lorde bezeichnete sich selbst als „black, feminist, lesbian, mother, poet warrior“.
Sie war US-Amerikanerin, deren Eltern von der Karibikinsel Grenada eingewandert waren. Bevor sie sich öffentlich als Lesben outete, war Lorde mit einem ebenfalls homosexuellen Mann verheiratet. Die zwei Kinder aus dieser Verbindung zog sie dann mit ihrer langjährigen Partnerin Frances Clayton auf.
Lorde und ihre Werke hatten bedeutenden Einfluss für die Schwarze, feministische, lesbische Bewegung – nicht nur in den USA, sondern weit darüber hinaus, auch in der BRD.
1980 veröffentlichte sie in „The Cancer Journals“ ihre Auseinandersetzung mit Brustkrebs und dem Verlust der Brust. Im Jahr 1992 verstarb Audre Lorde an Brustkrebs, mit dem sie 14 Jahre gelebt hatte.