Sexualisierte gewalt gegen mädchen

Viele Mädchen, die später lesbisch leben, sind in ihrer Kindheit und Jugend sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Die Täter(innen) sind überwiegend männlich und stammen in der Regel aus dem direkten sozialen Umfeld des Mädchens, sind z.B. deren Väter, Stiefväter, Onkel, Großväter, ältere Brüder, Mütter oder auch Erzieher, Lehrer, Nachbarn und andere Vertrauens- und Autoritätspersonen.
Die Chance ist hoch, dass in einer Frauenbeziehung mindestens eine der Frauen Gewalterfahrungen gemacht hat und wohl keine Lesbe wird im Laufe ihres Lebens nicht über eine ihrer Liebsten oder Freundinnen direkt mit den Folgen sexualisierter Gewalt konfrontiert, so sie nicht selbst ohnehin sexualisierte Gewalt erlebt hat.

Gewalterfahrungen als angebliche „Ursache“ für Lesbischsein

Ein Ausdruck von Lesbenfeindlichkeit ist es, lesbischen Frauen zu unterstellen, sie seien aufgrund „schlechter Erfahrungen mit Männern“ lesbisch geworden. Diese Unterstellung ist in der Gesellschaft, aber auch gar nicht so selten in medizinischen Fachkreisen, z.B. bei Ärztinnen und Ärzten, anzutreffen:

„Diese Unterstellung ist auf zweifache Weise fatal. Zum einen reduziert sie lesbische Existenz auf eine Reaktion auf Verhalten von Männern und macht die Frau als Gestalterin ihres Lebens unsichtbar. Zum anderen trifft diese Unterstellung insbesondere Lesben, die tatsächlich als Mädchen oder Frauen sexualisierte Gewalt erfahren haben. Hall führte eine narrative Studie mit erwachsenen lesbischen Überlebenden von sexueller Gewalt in der Kindheit durch und resümierte:

`No participant expressed a belief that her sexual orientation was a result of childhood sexual abuse. The societal presumption of sexual abuse as an etiological factor in determining lesbian sexual orientation, nevertheless, was pivotal for these survivors because it was only one step away from the possible conclusion that one is not a lesbian at all, but merely living out the script of an abused person avoiding reminders of the past. (…) The women in this study described constantly protecting themselves from other’s presumptions and thus felt challenge to the authenticity of their sexual orientation.´

Wenn Ärztinnen und Ärzte bei lesbischen Frauen einen kausalen Zusammenhang zwischen deren Lebensform und möglichen Gewalterfahrungen konstruieren, stellen sie sie vor die Wahl, sich entweder von ihrer Lebensform zu distanzieren oder aber das Ausmaß ihrer Gewalterfahrungen und deren Folgen zu bagatellisieren. Beides erscheint einem offenen und vertrauensvollen Verhältnis wenig zuträglich.“

(aus: Dennert, G.: Die gesundheitliche Situation lesbischer Frauen in Deutschland, Weinheim 2004, S. 164f.; Zitat aus: Hall,J. M.: Lesbians surviving childhood sexual abuse: Pivotal experiences related to sexual orientation, gender, and race. 1998)