psychotherapie: informationen für l/b/t klientinnen

von Dr. Gisela Wolf

(gekürzte Fassung; Langfassung pdf (pdf, 359 kB))

Als Patientin/ Klientin haben Sie das Recht auf eine für Sie durchschaubare und fachlich gute psychotherapeutische Behandlung.
Eine respektvolle und wertschätzende Haltung gegenüber Klientinnen und deren Bezugspersonen stellt die Grundlage kunstgerechten therapeutischen Handelns dar.

Als Klientin sollten Sie sich bei Ihrem Psychotherapeuten / Ihrer Psychotherapeutin gut aufgehoben und fachlich kompetent betreut fühlen. Entscheidend ist dabei Ihr persönlicher Eindruck. Sie selbst spüren am besten, ob eine Therapie bei dieser Therapeutin oder diesem Therapeuten für Sie passt und Sie sollten Ihre Gefühle und Eindrücke ernst nehmen.

Für lesbische, transidente oder bisexuelle Klientinnen gestaltet sich leider in Deutschland die Suche nach einer passenden Psychotherapeutin bzw. einem passenden Psychotherapeuten oft schwierig, da viele PsychotherapeutInnen in ihrer Ausbildung wenig Zutreffendes über lesbische, transidente und bisexuelle Lebensweisen gelernt haben. Noch immer gibt es in Deutschland eine erhebliche Unterversorgung in Bezug auf eine fachgerechte Beratung und Therapie für l/b/t Frauen (Dennert & Wolf 2009).

Als Klientin könne Sie:

  • Ihre Psychotherapeutin oder Ihren Psychotherapeuten nach ihrem/seinem Fachwissen über lesbische Themen zu fragen, um einzuschätzen, ob Sie mit Ihrer Lebensweise dort gut aufgehoben sind.
  • fragen, ob sie/ er spezifische Fortbildungen zu dem Thema besucht hat
  • ob l/b/t Lebensweisen Bestandteil ihrer/ seiner Ausbildung waren
  • und wie sie/ er mit l/b/t Klientinnen arbeitet.

Manche lesbischen und bisexuellen Klientinnen gehen davon aus, dass ihre Lebensweise in einer Psychotherapie gar nicht angesprochen werden muss. So outen sich z.B. 8% aller lesbischen Frauen nicht gegenüber ihrer Psychotherapeutin, 32% outen sich nicht gegenüber ihrem Psychotherapeuten (Dennert 2005). Versteckt zu leben und sich damit auch in einer Psychotherapie nicht zu outen, kann zwar vor Diskriminierungen schützen. Es ist aber davon auszugehen, dass eine Psychotherapie nicht fachkompetent durchgeführt werden kann, wenn die persönliche Lebensweise nicht als wichtiger biografischer Hintergrund benannt werden kann. Wenn Sie merken, dass in Ihrer Psychotherapie kein Raum ist, über Ihre Lebensweise, Ihre PartnerInnenschaften, Ihre FreundInnenschaften und Ihre Zugehörigkeit zu einer sozialen l/b/t Gemeinschaft zu sprechen, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass diese Psychotherapie bei dieser Therapeutin/ diesem Therapeuten nicht optimal für Sie geeignet ist.

 

Weitere Hinweise auf potenzielle Schwierigkeiten Ihrer Therapeutin/ Ihres Therapeuten mit dem Thema l/b/t Lebensweisen sind:

  • Ihr/-e TherapeutIn weiss nichts über l/b/t-Lebensweisen – Sie verbringen große Teile der Therapiezeit damit, immer wieder Ihre Lebensweise zu erklären
  • Ihr/-e TherapeutIn benutzt eine unsensible Wortwahl, die Ihre l/b/t Lebensweise ignoriert: z.B. wenn Ihre Therapeutin/ Ihr Therapeut trotz besseren Wissens von Ihrem „Partner“ spricht, obwohl Sie eine Partnerin haben
  • Ihr/-e TherapeutIn behauptet, Ihre psychischen Probleme seien ursächlich auf Ihre soziosexuelle Orientierung oder Ihre Geschlechtsidentität zurückzuführen: z.B. wenn z.B. Ihre Therapeutin behauptet, Ihre lesbische oder trans-Identität sei der Grund für Ihre Depression oder ein Suchtproblem
  • Ihr/-e TherapeutIn behauptet, Sie seien durch traumatische Gewalterfahrungen lesbisch oder transident geworden: Homosexualität und Transidentität entstehen nicht durch Gewalterfahrungen.
  • Ihr/-e TherapeutIn begegnet Ihrer soziosexuellen oder Genderidentität mit Voyeurismus, Abwertung oder Mitleid
  • Ihr/-e TherapeutIn spricht abwertend über Ihre BeziehungspartnerInnen spricht oder fordert Sie auf, eine homosexuelle Beziehung deshalb zu beenden, weil sie homosexuell ist
  • Ihr/-e TherapeutIn betrachtet Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender per se als schlechte Eltern betrachtet und spricht sich gegen ein Sorgerecht für L/B/T aus
  • Ihr/-e TherapeutIn verbreitet Mythen und Vorurteile über L/B/T (z.B. behauptet, Sie seien durch einen neurotischen Konflikt lesbisch geworden, Ihre Mutter sei daran „schuld“, bei Lesben sei immer eine „der Mann“ etc.)

Wenn Sie Zweifel haben, ob Sie bei Ihrer Psychotherapeutin/ Ihrem Psychotherapeuten gut aufgehoben sind, können Sie sich an eine örtliche oder überregionale l /b/t Beratungsstelle (www.lesbenberatung.de), ein l/b/t Beratungstelefon (www.lesbentelefone.de) oder an den Verband von Lesben und Schwulen in der Psychologie (www.vlsp.de) wenden, um mit einem/-r BeraterIn Ihren Eindruck zu besprechen und weitere Schritte zu planen.
Gerade wenn Sie zuvor mit Ihrer Therapeutin oder Ihrem Therapeuten, die/ der Sie jetzt unsensibel oder abwertend behandelt, auch gute Erfahrungen gemacht haben, kann es schwer sein, für sich alleine abzuwägen, ob Sie die Therapie weiter machen möchten, ob und wie Sie die Therapeutin oder den Therapeuten auf ihr/ sein Verhalten ansprechen können, oder ob es besser ist, die Therapie zu beenden, und welche Alternativen es gibt.

Bei diskriminierendem oder übergriffigen Verhalten Ihrer Therapeutin/ Ihres Therapeuten können Sie sich auch an die Berufsaufsicht in der Psychotherapeutenkammer Ihres Bundeslandes (Adressen im Internet) wenden und sich dort beraten lassen.

    • ________________________

 

    • :: literatur ::

 

  • Dennert, G. (2005). Die gesundheitliche Situation lesbischer Frauen in Deutschland – Ergebnisse einer Befragung. Pfaffenweiler: Centaurus.
  • Dennert, G./Wolf, G. (2009). Gesundheit lesbischer und bisexueller Frauen. Zugangsbarrieren im Versorgungssystem als gesundheitspolitische Herausforderung. In: FEMINA POLITICA 1, S. 48-59.
  • DGP & BPD: Ethische Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Psychologie e.V. und des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (http://www.bdp-verband.org/bdp/verband/ethik.shtml, Meldung vom 23.10.2009).
  • Finke, J. (2003). Gesprächspsychotherapie. Stuttgart: Thieme.
  • Hutterer-Krisch, R. (2007): Grundriss für Psychotherapieethik: Praxisrelevanz, Behandlungsfehler und Wirksamkeit. Wien: Springer.
  • Norcross, J. C. (2002). Empirically Supported Therapy Relationships. In: Norcross, John C. (Hrsg.). Psychotherapy Relationships That Work. Therapist Contributions and Responsiveness to Patients. New York: Oxford University Press. S. 3-16.
  • Wolf, G. (2004). Erfahrungen und gesundheitliche Entwicklungen lesbischer Frauen im Coming-out-Prozess. Centaurus: Pfaffenweiler.