Versuche der Heterosexualisierung – Konversions“therapien“
von Gisela Wolf
(gekürzte Fassung; Langfassung (pdf, 67 kB))
(im Bereich Downloads findet sich auch ein zweiteiliges Radiointerview mit Dr. Gisela Wolf über Konversionsversuche und einen Radiobeitrag zum Thema)
Konversions- oder „reparative“ „Therapien“ umfassen alle Versuche, die Homosexualität von KlientInnen in asexuelles oder heterosexuelles Verhalten umzuwandeln. Die Verwendung des Begriffs „Therapie“ für ein solches Unterfangen ist missverständlich, da es sich zum einen bei den verwendeten Methoden nicht um wissenschaftlich anerkannte Verfahren zur Linderung oder Heilung eines Leidens handelt und da zum anderen Homosexualität keine Erkrankung darstellt. „Therapien“ der „Homosexualität“ sind unethisch und verstoßen gegen anerkannte fachliche Standards.
Homosexualität als „Störung“
Die Basis von Umpolungsversuchen der homosexuellen Orientierung ist die Einordnung von Homosexualität als „Störung“. So gilt Homosexualität je nach theoretischer Ausrichtung als gesellschaftliche Bedrohung, als Sünde, Krankheit, Persönlichkeitsstörung oder als „Hormonstörung“. In psychoanalytischen Ansätzen wird Homosexualität als „Perversion“ mit „psychoneurotischer“ Genese konzipiert und damit diffamiert. Verhaltenstherapeutische Umpolungsversuche gehen von der Vorstellung aus, Homosexualität sei die Folge einer Angst vor dem anderen Geschlecht bzw. werde im Rahmen von Masturbation erlernt.
„Therapie“formen
Die Beschreibungen von Konversions-„therapien“ machen die impliziten Ziele der gewaltsamen Kontrolle bis hin zur Zerstörung der Sexualität der von der „Therapie“ Betroffenen deutlich. „Therapien“-versuche wurden in Form von Zwangspsychiatrisierungen, EKT („Elektro-Konvulsiv-Therapie“), Aversions-„therapie“ (mittels Elektroschocks und Apomorphin (= ein Brechmittel)), Clitoridectomie, präfrontaler Lobotomie, Hypothalamotomie, Hormonbehandlung, Hysterektomie, durch Behandlung mit diversen Medikamenten und mittels systematischer Desensiblisierung der vermeintlichen Angst vor dem anderen Geschlecht durchgeführt.
Situation in der BRD
Ab Mitte der 1990er Jahre des 20. Jahrhunderts haben auch einige Organisationen in der Bundesrepublik Fuß gefasst, die das Ziel verkünden, Lesben und Schwule von ihrem Lesbisch- bzw. Schwulsein „heilen“ zu wollen, wie z.B. die Organisationen „Wüstenstrom“ und „Living Waters“, zwischen denen es auch personelle Überschneidungen gibt. Gerade im Bereich der religiös motivierten Konversions-„Therapien“ sind vielfach Personen tätig, die über keine medizinische oder psychologische Qualifikation verfügen und von einer verbesserten Ausbildung für PsychologInnen und ÄrztInnen im Bereich der schwulen-und-lesben-affirmativen Therapien nicht profitieren (wollen).
Neben explizit angekündigten Konversions-„therapien“ gibt es in vielen therapeutischen Settings Versuche, heterosexualisierend auf lesbische, schwule und bisexuelle KlientInnen einzuwirken. So können beispielsweise lesbische Frauen im psychotherapeutischen Setting immer wieder die Erfahrung machen, dass sie nicht etwa wegen den von ihnen geschilderten Problemen und Belastungen, sondern wegen ihrer soziosexuellen Identität „behandelt“ werden sollen.
Leitlinien gegen Konversions“therapien“
1981 forderte der Europäische Rat seine Mitgliedstaaten auf, Zwangsmedikationen oder Forschungen zur Änderung der „homosexuellen Orientierung“ erwachsener Menschen zu beenden.
1990 stellte die „American Psychological Association“ fest:
„Gleichgeschlechtliche Sexualität ist weder eine Geisteskrankheit noch moralisch verwerflich (…) eine Studie nach der anderen hat die geistige Gesundheit von Schwulen und Lesben dokumentiert (…) Versuche, die soziosexuelle Orientierung zu ‚reparieren‘ stellen nichts anderes als psychologisch verbrämte soziale Vorurteile dar.“
Konversions“therapien“ gefährden die Gesundheit
Konversions-„therapien“ haben bislang keine positiven gesundheitsförderliche Effekte für die davon betroffenen Menschen nachweisen können. Hingegen sind als Behandlungsfolgen bei den Betroffenen solcher Umpolungsversuche Ängste, depressive Symptome und Suizidalität bis hin zu vollendetem Suizid aufgetreten. Im Interesse einer Nichtschadensethik dürften solche „Therapien“ eigentlich nicht mehr angewandt werden. Sie florieren aber deshalb, weil sie innerhalb der derzeitigen Machtverhältnisse einen „Sinn“ haben: Sie verfolgen die Ziele, die gesellschaftliche Stigmatisierung von Homosexualität zu erhalten und traditionellen Geschlechterrollen zu stärken.