Höheres Suchtrisiko bei Lesben?
Lesben wird von verschiedener Seite eine besondere Nähe zu Rauchen, Alkohol- und Drogenkonsum unterstellt. Solchen Aussagen ist mit berechtigter Vorsicht zu begegnen, weil nicht immer klar ist, ob sie nicht Resultat lesbenfeindlicher Vorurteile und sexistischer Diskriminierung von Frauen sind, die sich in Männerdomänen (wie Kneipen etc.) aufmachen.
Auf der anderen Seite existieren alarmierende Zahlen aus internationalen Befragungen lesbischer Frauen, die darauf hindeuten, dass Lesben tatsächlich häufiger rauchen, mehr trinken, einen riskanteren Drogenkonsum aufweisen – und dass sie an den Folgen dieser Abhängigkeiten und ihrer Begleitumstände erkranken und versterben.
Die lesbenfeindliche Gesellschaft als Risikofaktor
Unabhängig von der Frage, ob Lesben nun weniger oder mehr Abhängigkeiten aufweisen, stehen auch die Einflussfaktoren und Hintergründe des Suchtverhaltens bei Lesben zur Diskussion. Macht eine lesbenfeindliche Gesellschaft süchtig? Was wäre ein lesbenspezifischer Ansatz in der Suchtprävention? Wie kann eine lesbengerechte Therapie von Abhängigkeitserkrankungen aussehen?
Auch innerhalb des lesbischen Lebens prallen gelegentlich die Realitäten aufeinander: Auf der einen Seite der Wunsch nach alkohol- und rauchfreien Großveranstaltungen – auf der anderen Seite zunehmende Werbung von Alkohol- und Tabakfirmen mit lesbischer (und schwuler) Zielgruppe auf den einschlägigen Events.
Lesbenspezifische Konsummuster
Für Deutschland gibt es bisher einen Hinweis darauf, dass die Lebenszeitprävalenz des Zigarettenrauchens bei Lesben höher sein könnte als bei heterosexuellen Frauen. Über Alkohol- und Drogenkonsum lassen sich keine Aussagen treffen. Qualitative Untersuchungen fehlen.
Ebenfalls fehlen Untersuchungen, ob Lesben möglicherweise ihr Abhängigkeitsverhalten „verlagern“ im Vergleich zu heterosexuellen Frauen – weg von der „klassisch weiblichen“ Medikamentenabhängigkeit, hin zum männerdominierten Konsum von Zigaretten, Alkohol und Drogen.
Darüberhinaus stellt sich natürlich die spannende Frage: Wenn diese lesbenfeindliche Gesellschaft Lesben krank macht und ihnen ein Suchtverhalten nahe legt – was bewahrt dann den überwiegenden Teil der Lesben vor einer Suchterkrankung?
Workshop LFT 2006
Anfang Mai 2006 fand auf dem Lesbenfrühlingstreffen (LFT) in Leipzig ein Workshop zum Thema „Lesben und Sucht“ statt, durchgeführt von Gisela Wolf und Gabriele Dennert. 15 Teilnehmerinnen tauschten sich aus und diskutierten über Sucht, Substanz- und Alkoholkonsum, Normen und Verhalten in der Lesben“szene“, persönliche und lesbenpolitische Ressourcen. Alle Teilnehmerinnen wünschten sich, mehr „Erfolgsgeschichten“ von Lesben zu hören, die eine Sucht überwunden haben, weil diese wichtigen Erfahrungen und Stärken oft unter Lesben nicht weitergegeben und besprochen werden.