Internationale wie nationale Untersuchungen lassen befürchten, dass erwachsene Lesben bis zu vier Mal häufiger versuchen, sich das Leben zu nehmen als heterosexuelle Frauen. Lesbische Jugendliche unternehmen sogar bis zu sechs mal häufiger Suizidversuche als gleichaltrige Heterosexuelle.
Für Deutschland liegen dazu Zahlen aus der Berliner Befragung „Er liebt ihn. Sie liebt sie.“ für junge Frauen und aus einer bisher nicht veröffentlichten Studie über Suizidversuche bei erwachsenenen Lesben (und Schwulen) vor. Aus diesen Untersuchungen stammen auch die gerade genannten Schätzungen.
Es gibt weltweit nur wenige Studien, die der Frage nachgegangen sind, ob Lesben (und Schwule) auch bei den sog. vollendeten Suiziden überrepräsentiert sind. Es fand sich glücklicherweise kein höherer Anteil von Lesben (und Schwulen) (wobei diese Ergebnisse möglicherweise durch methodische Probleme der Studien verzerrt sind). Eventuell wählen Lesben Suizidarten, die eine größere Überlebenschance besitzen.
Für Lesben, insbesondere lesbische Jugendliche, zeigte sich, dass die sexuelle Orientierung alleine die vermehrten Suizidversuche nicht erklärt. Risikofaktor Nummer Eins für einen Suizidversuch bei jungen Frauen – auch bei jungen Lesben – waren Gewalterfahrungen, insbesondere Erfahrungen sexualisierter Gewalt. Wenn dann noch in der Umbruchszeit des jungen Erwachsenenalters die Herausforderung eines Coming Outs dazukam, erhöhte das die Bereitschaft deutlich, einen Suizidversuch zu unternehmen oder auch andere Formen selbstschädigenden Verhaltens als Versuch einer Problemlösung zu wählen wie Drogenkonsum etc.
Krisenintervention und Suizidprävention
In vielen größeren Städten gibt es Lesbenberatungsstellen, z.T. auch mit eigenen Angeboten für junge Lesben, und psychosoziale Kriseninterventionsdienste oder sozialpsychiatrische Dienste am Gesundheitsamt. Deren Beratungsangebote können nicht nur von jeder Frau, die in einer Krisensituation Hilfe sucht, in Anspruch genommen werden, sondern z.B. auch von besorgten FreundInnen.
Aufklärungsbedarf besteht hier vor allem im Bereich von Beratungsstellen (mit Ausnahme der Lesbenberatungen) und psychiatrischer Akuteinrichtungen über die Situation lesbischer Frauen.
Weiterleben: Wenn eine Freundin sich umgebracht hat
Lesben, die sich das Leben nehmen, hinterlassen geschockte Freundinnen, die sich oftmals auch noch Vorwürfe machen, den Suizid nicht verhindert zu haben. Dabei ist klar: Auch unter Bedingungen nahezu lückenloser Überwachung wie in Gefängnissen oder Akutpsychiatrien schaffen es Menschen, sich das Leben zu nehmen – weil nichts und niemand außer ihnen selbst sie davon abhalten kann. Gelegentlich sehen sich lesbische Freundinnen auch Vorwürfen Dritter ausgesetzt, die die lesbische Lebensweise der Verstorbenen nie akzeptieren konnten.
Zur Unterstützung von Frauen, deren lesbische Freundin sich das Leben genommen hat, bestehen bisher kaum Angebote und Konzepte in Deutschland. Sensibilisierung für die spezielle Situation von Lesben nach dem Suizid einer Freundin oder Partnerin tut auch hier in vielen Bereichen not.